VfGH 4955

Die Durchführung der Wahlen in den Vorstand einer israelitischen Kultusgemeinde ist eine innere Angelegenheit der Religionsgesellschaft. Keine Zuständigkeit der Staatsverwaltung hiebei

Beschl. v. 18. März 1965, B 32/65

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung:

Am 20. Dezember 1964 fand die Wahl des Kultusvorstandes der israelitischen Kultusgemeinde Wien statt. Da der Beschwerdeführer als Angehöriger der israelitischen Kultusgemeinde nicht in die Wählerliste aufgenommen worden war, brachte er dagegen eine Reklamation (§ 9 der Wahlordnung für die Wahl des Kultusvorstandes) bei der Reklamationskommission ein. Die Reklamationskommission wies die Reklamation mit der Begründung ab, daß der Beschwerdeführer mit der Zahlung der Kultussteuer im Verzug unddeshalb vom aktiven Wahlrecht gemäß § 10 Abs. 2 der zitierten Wahlordnung ausgeschlossen sei. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung an den Wahlausschuß. Dieser wies mit Schreiben vom 15. Dezember 1964 die Berufung des Beschwerdeführers aus den bereits von der Reklamationskommission angeführten Gründen ab.

Gegen das Schreiben des Wahlausschusses der israelitischen Kultusgemeinde Wien vom 15. Dezember 1964 erhob der Beschwerdeführer beim Verfassungsgerichtshof eine auf Art. 144 B-VG. gestützte Beschwerde wegen Verletzung des durch Art. 9 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten samt Zusatzprotokoll verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Religionsfreiheit.

Der Beschwerdefall betrifft die Durchführung einer Wahl des Kultusvorstandes der israelitischen Kultusgemeinde Wien. Dabei hat die Staatsverwaltung weder nach dem Gesetz vom 21. März 1890, RGBI. Nr. 57, betreffend die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft, noch nach dem Statut bzw. nach der Wahlordnung der israelitischen Kultusgemeinde Wien staatliche Befugnisse wahrzunehmen. Ein Fall des § 32 des Gesetzes vom 21. März 1890, RGBI. Nr. 57, liegt nicht vor. Daraus ergibt sich, daß die Durchführung der Wahlen eine innere Angelegenheit der Religionsgesellschaft ist (vgl. Erk. des VerfGH. Slg. Nr. 3816/1960). Das vom Beschwerdeführer angefochtene Schreiben ist daher kein Bescheid einer Verwaltungsbehörde. Die Beschwerde richtet sich sohin gegen eine Maßnahme, deren Überprüfung nicht in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes fällt. Damit ist die Zurückweisung der Beschwerde gemäß § 19 Abs. 3 Z 1 lit. a VerfGG. 1953 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 185/1964 begründet.