VfGH 5654

Eine religiöse Gemeinschaft, die kein Verein und keine gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft (Art. 15 StGG.) ist, hat keine Rechtspersönlichkeit. Zurückweisung der Beschwerde

Beschl. v. 29. Februar 1968, B 409/67

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Dem Antrag, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird keine Folge gegeben.

Begründung:

I. Mit dem Antrag vom 7. Februar 1967 an den Magistrat der Stadt Wien (dort eingelangt am 8. Februar 1967) haben Walther S. als 1. Vorsitzender und Wilma S. als Mitarbeiterin zur Erteilung von Lebenskundeunterricht im Namen der religiösen Gemeinschaft „Österreichische Freunde der Gotterkenntnis (Ludendorff)” (im folgenden nur: Gemeinschaft) unter Hinweis auf die in dem Antrag wiedergegebenen „Richtlinien” dieser Gemeinschaft, von denen gesagt wurde, sie seien in einer Versammlung am 28. November 1966 neu gefaßt und am 2. Dezember 1966 der Bundespolizeidirektion Wien zur Kenntnis gebracht worden, den Landeshauptmann von Wien ersucht, in Analogie zu § 9 des Vereinsgesetzes 1951 den rechtlichen Bestand dieser Gemeinschaft zu bescheinigen. Als Rechtsgrundlage wurde § 26 ABGB. angeführt, der auch für gesetzlich nicht anerkannte Religionsgenossenschaften Anwendung zu finden habe. Der Landeshauptmann von Wien hat mit dem Bescheid vom 27. Februar 1967 den von den genannten Personen im Namen der Gemeinschaft eingebrachten Antrag gemäß §§ 1 und 2 AVG. 1950 wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid hat die „Gemeinschaft” die Berufung eingebracht. Am 27. September 1967 erging der nunmehr den Gegenstand der Verfassungsgerichtshofbeschwerde bildende Berufungsbescheid des Bundesministers für Unterricht. Er gab in der „Verwaltungssache des Walther S…. wegen einer Bestandsbescheinigung für die Österreichischen Freunde der Gotterkenntnis (Ludendorff)’ ” der Berufung des Walther S. keine Folge und bestätigte den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien mit der Maßgabe, daß der letzte Satzteil des Spruches („wird gemäß … wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.”) zu lauten habe: „wird gemäß §§ 1 und 2 AVG. 1950 und im Grunde des § 8 des zitierten Gesetzes wegen sachlicher Unzuständigkeit der angerufenen Behörde und mangels Parteistellung des Einschreiters zurückgewiesen.”

In der Begründung wird ausgeführt, daß den Anhängern eines gesetzlich nicht anerkannten Religionsbekenntnisses keine Rechtspersönlichkeit im Rahmen der bestehenden kultusrechtlichen Vorschriften zukomme und daß demnach der Gemeinschaft die Parteifähigkeit im Sinne des § 8 AVG. 1950 (richtig: § 9 AVG. 1950) fehle. Obwohl der Berufungsbescheid an mehreren Stellen Walther S. als Berufungswerber bezeichnet, nimmt der Verfassungsgerichtshof an, daß es sich um ungenaue Formulierungen handelt und daß die Berufungsentscheidung doch nur als eine Erledigung der Berufung, so wie sie eingebracht worden war, aufzufassen ist, also als die Entscheidung über die Berufung der Gemeinschaft.

II. Vor einer Befassung mit dem Inhalt des Berufungsbescheides hatte sich der Verfassungsgerichtshof die Frage vorzulegen, ob die Gemeinschaft, die die Verfassungsgerichtshofbeschwerde eingebracht hat, Rechtspersönlichkeit genießt.

Diese Frage war zu verneinen. Im vorliegenden Rechtsfall ist es nicht streitig, daß die Gemeinschaft kein Verein und keine gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft (Art. 15 StGG.) ist. Auch aus § 26 ABGB., der nur von erlaubten Gesellschaften spricht, kann die Rechtssubjektivität der beschwerdeführenden Gemeinschaft nicht abgeleitet werden. Der Verfassungsgerichtshof kann einer Auffassung, daß einem bloßen Zusammenschluß von mehreren Personen aus dem Grunde der Erlaubtheit Rechtspersönlichkeit zukomme, nicht beitreten.

Da im Beschwerdefall ausschließlich die Rechtspersönlichkeit der Gemeinschaft Gegenstand des Verfahrens war, erschien es nicht möglich, die Beschwerde den einzelnen für die Gemeinschaft auftretenden Personen zuzurechnen.

Im § 19 Abs. 3 Z. 1 VerfGG. 1953 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 185/1964 wird zwar der Fall der von einer prozeßunfähigen Partei eingebrachten Beschwerde nicht genannt, doch ist dieser Fall jedenfalls einer Beschwerde gleichzustellen, die an dem Mangel der Legitimation leidet (§ 1.9 Abs. 3 Z. 1 lit. e VerfGG. 1953 in der bezogenen Fassung).

Die Beschwerde war sohin aus diesem Grunde ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Dem Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof konnte keine Folge gegeben werden, weil diese nur verfügt werden darf, wenn der Verfassungsgerichtshof gefunden hat, daß eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte nicht stattgefunden hat, somit nicht in den Fällen der Zurückweisung einer Beschwerde.