VfGH 6998

Konkordat 1934; Versetzung eines gemäß Art. V § 4 von der Lehrtätigkeit enthobenen Theologieprofessors in den zeitlichen Ruhestand gemäß Zusatzprotokoll und § 45 Gehaltsüberleitungsgesetz; kein Eingriff in die Freiheit von Wissenschaft und Lehre und in die Meinungsäußerungsfreiheit

Erk. v. 2. März 1973, B 3/73

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

(Auszug)

I. 1. Der Beschwerdeführer wurde mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 23. April 1968 zum ordentlichen Universitätsprofessor für Religionswissenschaft an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien ernannt. Die Ernennung erfolgte, nachdem im Sinne des Art. V Abs. 3 (richtig § 3) des Konkordates vom 5. Juni 1933, BGBl. II Nr. 2/1934, der Erzbischof von Wien als Ordinarius der Erzdiözese Wien mit Note vom 3. Mai 1967 die Zustimmung erteilt hatte. Diese Zustimmung ist mit Note des Erzbischofs von Wien vom 10. November 1972 widerrufen worden; Grund hiefür war, daß der Beschwerdeführer aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten ist und daher im Sinne des § 4 (richtig Art. V § 4) des Konkordates für die Lehrtätigkeit als ordentlicher Universitätsprofessor an der Katholisch-theologischen Fakultät in Wien nicht mehr geeignet erachtet worden ist.

Hierauf erging an den Beschwerdeführer folgender Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 21. November 1972, Zl. 179.938-1/72:

„Der Erzbischof von Wien hat dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung mit Schreiben vom 10. November 1972 mitgeteilt, daß er seine szt. Zustimmung zu Ihrer Ernennung widerrufe.

Sie werden daher gemäß Art. V § 4 des Konkordates zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Osterreich vom 5. Juni 1933, BGBl. II Nr. 2/1934, von der Ausübung Ihrer Lehrtätigkeit als Ordentlicher Universitätsprofessor für Religionswissenschaft an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität in Wien enthoben.

Weiters werden Sie gemäß Art. V § 4 des Zusatzprotokolles zum Konkordat im Zusammenhalt mit § 45 j Absatz 1 des Gehaltsüberleitungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1947, in der dzt. geltenden Fassung, mit 30. November 1972 in den zeitlichen Ruhestand versetzt. Der Ihnen nach den einschlägigen Bestimmungen des II. Abschnittes des Pensionsgesetzes, BGBl. Nr. 340/1965, auf Grund Ihrer anrechenbaren Dienstzeit gebührende Ruhegenuß wird Ihnen, gegen Einstellung Ihrer Aktivitätsbezüge mit Ende November 1972, vom 1. Dezember 1972 angefangen monatlich im vorhinein durch das Zentralbesoldungsamt in Wien flüssig-gemacht werden.

Wegen Bemessung und Anweisung des Ruhegenusses wird u. e. das Erforderliche im Wege des ho. Fachdienstes für Hochschulen veranlaßt werden.”

2. Gegen diesen Bescheid, soweit er die Versetzung des Beschwerdeführers in den zeitlichen Ruhestand ausspricht, richtet sich die auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Glaubens- und Gewissensfreiheit, auf Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre sowie auf freie Meinungsäußerung geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 21. November 1972 (die Nichteinhaltung der gemäß den §§ 1, 9 und 10 DVG geltenden Formerfordernisse beeinträchtigt nicht den Bescheidcharakter) gründet sich auf folgende Bestimmungen des Konkordates zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich sowie des Zusatzprotokolls hiezu vom 5. Juni 1933, BGBl. II Nr. 2/1934:

„Art. V.

§ 3. Die Ernennung oder Zulassung der Professoren oder Dozenten an den vom Staate erhaltenen Katholisch-theologischen Fakultäten wird nur nach erfolgter Zustimmung der zuständigen kirchlichen Behörde erfolgen.

§ 4. Sollte einer der genannten Lehrer in der Folge seitens der zuständigen kirchlichen Behörde der obersten staatlichen Unterrichtsverwaltung als für die Lehrtätigkeit nicht mehr geeignet bezeichnet werden, wird er von der Ausübung der betreffenden Lehrtätigkeit enthoben

Zu Art. V § 4.

Falls ein gemäß dieser Konkordatsbestimmung von der Ausübung seiner Lehrtätigkeit enthobener Professor nicht eine andere staatliche Verwendung findet, wird er in seiner Eigenschaft als Bundeslehrer unter Zuerkennung des ihm gemäß seiner anrechenbaren Dienstzeit zukommenden Ruhegenusses, jedenfalls aber des Mindestruhegenusses, sofern er nach Maßgabe der sonstigen staatlichen Vorschriften nicht überhaupt den Anspruch auf Ruhegenuß verwirkt hat, in den Ruhestand versetzt.”

Daß die genannten staatsvertraglichen Bestimmungen des Konkordates in dieser Eigenschaft geltendes Recht sind, ergibt sich aus den Art. I und VIII des Vertrages zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Osterreich zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen, BGBl. Nr. 195/1960, wonach die vertragschließenden Teile übereingekommen sind, verschiedene Vorschriften des Konkordates vom 5. Juni 1933 sowie des Zusatzprotokolls abzuändern (Art. I) und wonach die genannten Bestimmungen nicht unter den Vorschriften angeführt sind, die nicht mehr in Geltung stehen (Art. VIII). Als staatliches Recht stehen die genannten Bestimmungen auf der Stufe einfacher Bundesgesetze.

2. Der Beschwerdeführer hält dafür, daß seine Versetzung in den zeitlichen Ruhestand mit den Verfassungsbestimmungen der Art. 14 und 17 StGG unvereinbar sei …

3. Der Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 21. November 1972 enthält zwei Aussprüche konstitutiver Art: die Enthebung von der Ausübung der Lehrtätigkeit (fußend auf Art. V § 4 des Konkordates) und die Versetzung in den zeitlichen Ruhestand (fußend auf der Bestimmung des Zusatzprotokolls zu Art. V § 4 des Konkordates).

Die Beschwerde richtet sich gegen diesen Bescheid, „soweit er meine Versetzung in den zeitlichen Ruhestand ausspricht”, sie läßt also ausdrücklich die Enthebung von der Ausübung der Lehrtätigkeit unangefochten. Auch aus dem sonstigen Inhalt der Beschwerde ergibt sich nichts anderes. Dieser läßt deutlich erkennen, daß der Beschwerdeführer der Auffassung ist, der Entzug der Lehrbefugnis innerhalb der Katholisch-theologischen Fakultät sei mit der Verfassung vereinbar, nicht aber die Versetzung in den zeitlichen Ruhestand. Die auf eine Frage des Gerichtshofes in der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung des Beschwerdevertreters, daß auch der Teil des angefochtenen Bescheides bekämpft werde, der die Enthebung des Beschwerdeführers von der Ausübung der Lehrtätigkeit ausspricht, stellt daher eine in diesem Stadium des Verfahrens nicht mehr zulässige Erweiterung der Anfechtung dar.

4. Mit der bekämpften Versetzung in den zeitlichen Ruhestand wird eine dienstrechtliche Maßnahme, nämlich die Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses (mit der Möglichkeit einer Reaktivierung getroffen, und zwar als Folge der nicht bekämpften Enthebung von der Ausübung der Lehrtätigkeit.

Da sich diese — unangefochten gebliebene — Enthebung von der Ausübung der Lehrtätigkeit auf den ganzen Umfang der Lehrtätigkeit bezieht, zu der der Beschwerdeführer gemäß der Entschließung des Bundespräsidenten vom 23. April 1968 befugt war (nämlich auf seine Lehrtätigkeit als ordentlicher Universitätsprofessor für Religionswissenschaft an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien) steht dem Beschwerdeführer eine außerhalb des Umfanges der Enthebung liegende und von dieser unberührte Befugnis zur Ausübung der Lehrtätigkeit nicht zu, sodaß durch die mit Beschwerde angefochtene Versetzung in den zeitlichen Ruhestand selbst nicht in die Ausübung der Lehrtätigkeit eingegriffen wird. Ist aber nicht ein Eingriff in die Ausübung der Lehrtätigkeit Gegenstand der bekämpften dienstrechtlichen Maßnahme, so kann bei dem gegebenen Sachverhalt durch diese Maßnahme weder in das Recht der Glaubens-und Gewissensfreiheit (Art. 14 StGG) noch in das Recht auf Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre (Art. 17 StGG) noch in das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 13 StGG) eingegriffen werden.

5. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden. Eine Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte ist im Verfahren nicht hervorgekommen.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.